Studie zu Materialverbrauch, Energiebedarf und Klimaauswirkungen des geplanten Stadtteils „Dietenbach“ in Freiburg

Klimawandel und Wohnungsmangel machen die Untersuchung der Klimaauswirkungen von Neubauprojekten zu einem wichtigen Thema. Der geplante Stadtteil ‚Dietenbach‘ in Freiburg i.Br. soll nach dem Willen des Gemeinderats klimaneutral werden. In der Masterarbeit von Leonid Krebs vom Studiengang Umweltwissenschaften haben wir eine wissenschaftliche Umweltbewertung und Szenarioanalyse von Materialverbrauch, Energieverbrauch und Klimaauswirkungen der Treibhausgas (THG)-Emissionen verschiedener Bauweisen und Energieversorgungsoptionen des geplanten Stadtteils durchgeführt.

Anhand vorliegender Planungsunterlagen sowie anhand von Daten von ähnlichen Projekten konnten wir die Material- und Energiebilanz des neuen Stadtteils abschätzen. Dabei ging es uns vor allem um die Bilanzierung der Umweltauswirkungen der Baumaterialien für den neuen Stadtteil und der Vergleich von Treibhausgasemissionen aus der Bauphase mit denen aus der Betriebsphase. Letztere steht im Fokus der bisherigen Betrachtungen. Hintergrund dieser um die Bauphase erweiterten Perspektive ist, dass für Niedrigenergiehäuser die Bauphase einen wesentlichen Anteil an den Gesamt-Klimaauswirkungen des Stadtteils ausmachen kann, durchaus mehr als die Hälfte. Somit muss aus wissenschaftlicher Sicht eine Debatte um Klimaneutralität von Gebäuden und Infrastruktur die Bauphase immer mit einbeziehen. Dieser Aspekt wurde in der Debatte um die Umweltauswirkung und klimafreundliche Ausgestaltung von Dietenbach bereits mehrfach erwähnt, unseres Wissens nach aber bisher nicht im Detail mit einer quantitativen Analyse betrachtet. Als Teil der Analyse der Bauphase soll zudem eine Bilanzierung der Speicherwirkung von Kohlenstoff in einem Holzbauszenario durchgeführt und deren Einbindung in die Klimabilanz von Dietenbach diskutiert werden.

Mithilfe der Prozess- und Materialdatenbanken ÖKOBAUDAT und ecoinvent wurden vier alternative Bau-Szenarien betrachtet: Zunächst die Materialwahl, Holzbau oder Beton/Ziegelbau, und dann für jede Materialwahl jeweils mit Standard-Energieeffizienz (KfW-Effizienzhaus 55-Standard, kurz: eff) oder mit noch besserer Wärmedämmung (kurz: däm)). Zudem wurden für jedes Bauszenario nochmal jeweils zwei Energieversorgungs-Szenarien modelliert und bewertet.

Die Methoden, Daten und Ergebnisse sind in folgendem Bericht zusammengestellt:

Ökobilanz_Dietenbach_IEF_Working_Paper_2_22

Hier folgt eine kurze Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse.

Die Materialien der Gebäude machen etwa drei Viertel der Masse der gesamten Materialien des Stadtteils aus (inkl. Straßen und andere Infrastruktur). Beim Treibhauspotential der Bauphase des Stadtteils ist der Anteil der Gebäude noch höher (über 90%). Die restlichen 10% entfallen auf Straßen und Leitungen.

Zwischen den beiden untersuchten Energieversorgungs-Szenarien gibt es große Unterschiede in der Klimabilanz. Das Szenario mit dem deutschen Energiemix von 2018 weist deutlich höhere THG-Werte für den Betrieb von Dietenbach auf (22-24,5 kt CO2-eq/Jahr, je nach Bau-Szenario) als das Szenario mit der geplanten Nutzung von Umweltwärme und Photovoltaik (4,5-5,2 kt CO2-eq/Jahr). Die Unterschiede innerhalb der Bau-Szenarien hingegen sind für ein gegebenes Energieversorgungs-Szenario geringer als 12%. Dass die Holzbauten hier ähnlich abschneiden wie die mineralischen Baumaterialien liegt vor allem an deren energieintensiver Trocknung und Verarbeitung.

Bei Bereitstellung von Holz aus nachhaltiger (hier verstanden als klimaneutraler) Forstwirtschaft ergibt sich für die in Dietenbach verbaubare Holz-Kohlenstoffmenge von ca. 90 kt Kohlenstoff ein Speichereffekt von etwa 340 kt CO2-eq (bilanziert über 100 Jahre). Umgerechnet pro Kopf (15000 Einwohner) entspricht das einem einmaligen Negativ-Saldo von -22 t CO2-eq, ebenfalls bilanziert über 100 Jahre.

Das Reduktionspotential der Gesamt-THG-Bilanz durch Holzbau mit Rohstoffen aus klimaneutraler Forstwirtschaft ist erheblich und vor allem für das anvisierte Energieversorgungsszenario relevant. Hier machen nämlich die THG-Emissionen der Bauphase (ohne C-Speicherung) ca. die Hälfte (50%) der Lebenszyklus-THG-Emissionen der Gebäude und Infrastruktur in Dietenbach aus. Dieser Teil kann durch die Speicherwirkung des Holzbaus in etwa neutralisiert werden.

Somit kann festgestellt werden, dass durch Holzbau mit Rohstoffen aus klimaneutraler Forstwirtschaft der Bau von Dietenbach annähernd klimaneutral erfolgen kann.

Alternativ können die Negativemissionen der Kohlenstoffspeicherung im Holz rein rechnerisch ca. 70 Jahre der Betriebs-THG-Emissionen für das anvisierte Energieversorgungsszenario kompensieren.

Der aktuelle jährliche CO2-Fußabdruck pro Person für den Sektor ‚Wohnen‘ liegt in Freiburg mit ca. 1,1 t CO2-eq/a unter der Hälfte des Bundesdurchschnitts von 2,7 t CO2-eq/a (Hertle et al. 2021; UBA 2 2021). Der hier ermittelte Durchschnittswert der Dietenbach-Szenarien mit aktuellem deutschen Energiemix (1,3 t CO2-eq/a (1,0 t/a mit C-Speicherung Holz)) liegt etwas über dem aktuellen Freiburger Referenzwert. Hingegen beträgt der Durchschnittswert der Dietenbach-Szenarien mit der geplanten zukünftigen Energieversorgung ca. 0,5 t/a CO2-eq/a (0,2 t/a mit C-Speicherung Holz), also eine erhebliche Reduktion auf etwa bei der Hälfte bzw. ca. 20% des aktuellen Freiburger Wertes. Hierbei sind die Emissionen aus der Bauphase, aufgeteilt auf 50 Jahre, bereits eingerechnet.

Durch das angedachte Energieversorgungs-Szenario und den möglichen Holzbau kann der CO2-Fußabdruck pro Kopf für das Wohnen im Stadtteil Dietenbach deutlich geringer ausfallen als die derzeitigen Werte von Freiburg bzw. Deutschland.

Die Frage, ob und wann man das Ergebnis als ‚klimaneutral‘ bezeichnen kann, bedarf weiterer Diskussion. Aus wissenschaftlicher Sicht bestehen Bedenken, dass durch die Vorgabe des Ziels der Klimaneutralität oder ‚Netto-Null‘ für Großbauprojekte Erwartungen erzeugt werden, die schlussendlich nur mit Emissions-Buchhaltungs-Tricks und eventuell nicht auf ehrliche und tatsächlich klimarelevante Weise erfüllbar sind.

Hier könnte die Verwendung bescheidenerer Formulierungen oder wissenschaftlicher Zielvorgaben (z.B. „mindestens 80% Reduktion im Vergleich zum aktuellen Referenzwert“) helfen, die Herausforderungen konkret zu benennen. Für den Klimaschutz zentral ist am Ende die tatsächliche substantielle THG-Reduktion für die Aktivität ‚Wohnen‘ durch den klimafreundlichen Bau und Betrieb des neuen Stadtteils. Ob diese Reduktion 80% oder 90% beträgt, ist weniger bedeutsam als die Frage nach einer Reduktion um 50% oder um 80%.

Dort, wo Beton und andere mineralische Baumaterialien zum Einsatz kommen, ist auf Materialeffizienz, also z.B. die sparsame Verwendung von Zement, sowie Kreislauffähigkeit, z.B. durch modulares Bauen, zu achten, da hier ebenfalls erhebliche Einsparpotentiale liegen. Die Liste der zu prüfenden Strategien beinhaltet die Verringerung des Zementgehalts von Beton (z.B. für Fußböden, Verkehrsinfrastruktur), das Vorspannen von Bodenplatten, die Verwendung von vorgefertigten Bauelementen (für ein Projekt dieser Größe durchaus relevant), die Verringerung von Bauabfällen sowie die Reduzierung der Überdimensionierung von Bauteilen (v.a. deren Dicke). Da viele dieser Strategien in der Bauplanung und -ausführung bisher kaum Berücksichtigung finden, kann die Stadtverwaltung Freiburgs zusätzliche THG-Einsparpotentiale identifizieren und nutzen, indem sie prüfen lässt, inwieweit diese etablierten Strategien zur Materialeinsparung im Stadtteil Dietenbach zur Anwendung kommen können.

Für ambitionierte Reduktionen der Umweltauswirkungen des neuen Stadtteils Dietenbach ist neben der bereits bestehenden Planung einer klimaschonenden Energieversorgung wichtig, dass die Bauphase in der THG-Bilanz berücksichtigt wird und dass hier das Potential der Holznutzung und Zementeinsparung betrachtet wird.

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