Veggie-Burger, Lastenfahrräder, verpackungsfrei leben – Ideen und Produkte, unseren Alltag klimafreundlich zu gestalten, gibt es reichlich. Bei so vielen Möglichkeiten macht ein bisschen Übersicht und Systematik Sinn, denn nicht alle Klimaschutzstrategien sind effektiv und oft hängt deren Potential auch von anderen Strategien ab (*).
Es lohnt sich also, mal den Blick aufs große Ganze zu werfen, also sich die Frage zu stellen: Wie genau hängt mein persönliches Wohlbefinden mit den verschiedenen Umweltauswirkungen zusammen? Eine Antwort liefert die in Abb. 1 gezeigte Kaskade, welche Lebensstil, Konsum und verschiedene technische Produkte und Effizienzstufen mit dem aus meinem Konsumverhalten resultierenden Klimaeffekt verknüpft (Abb. 1).
Abb. 1: Verschiede Stufen der Kopplung zwischen Wohlbefinden und Klima. Jede Stufe der Kaskade bietet die Möglichkeit der Entkopplung, also eines ‚Weniger ist Mehr‘. Bei den technischen Bereichen (Produkte, Energietechnologien) geschieht die Entkopplung durch neue Technologien, die effizienter sind oder auf anderen Energieträgern (z.B. Sonnenlicht) beruhen. Die hier gezeigte Kaskade baut auf der energy service cascade [1] auf.
Jede dieser Stufen bietet eine Möglichkeit zur Entkopplung, also der Möglichkeit, mehr nützliche Funktionen aus einer gegebenen Ressource zu gewinnen (z.B. durch Wärmedämmung in Häusern) oder eine Dienstleistung mit deutlich weniger Ressourceneinsatz zu erbringen (z.B. durch den Umstieg aufs Fahrrad). Beispiele für eine solche Entkopplung sind in Abb. 2 aufgelistet.
Abb. 2: Beispiele für ‚weniger ist mehr‘ an verschiedenen Stellen der Energie-Dienstleistungs-Kaskade.
Die Liste möglicher Strategien ist recht lang, und die Anknüpfungspunkte in der Kaskade vielfältig. Klimaschutz wird effektiv, wenn Entkopplung über mehrere Stufen der Kaskade kombiniert wird. Z.B. durch den Umzug in eine kleinere Wohnung verringert sich der Wärmebedarf. Wenn die Raumwärme jetzt mit noch mit einer Wärmepumpe erzeugt wird, statt mit einer Gastherme, gibt es einen weiteren Klimaeffekt, der noch getoppt werden kann, wenn die Wärmepumpe mit Ökostrom betrieben wird. Das Gegenteil ist allerdings auch der Fall: Effizienzgewinne, z.B. durch bessere Regelung der Verbrennungsmotoren, wird durch größere (und damit schwerere) Autos wieder kompensiert.
Wirksamen Klimaschutz bedeutet also, dass Akteure auf den unterschiedlichen Stufen der Kaskade (Konsumenten, Händler, Produzenten, Regulierer) zusammenarbeiten. Für die Entkopplung auf den verschiedenen Stufen gibt es vier zentrale Mechanismen (Abb. 3): technologischen Fortschritt, Verhaltensänderung, ökonomische Anreize sowie Vorschriften.
Abb. 3: Mechanismen der Entkopplung.
Kombiniert man jetzt die Stufen der Entkopplungs-kaskade mit den vier zentralen Mechanismen, erhält man folgende Übersicht (Abb. 4), welche viele zentrale Klimaschutzstrategien auflistet und systematisch einordnet. Allerdings ist diese Liste/Tabelle noch lange nicht vollständig!
Abb. 4: Systematik der Klimaschutzstrategien. Die rot markierten Strategien sind im Alltag direkt anwendbar bzw. haben direkte Auswirkungen auf unser Mobilitäts- und Konsumverhalten.
Auf der Technologieseite habe ich als Konsumentin eine direkte Wahl: Nämlich, welche Produkte/Technologie ich nutze und kaufe, um Dienstleistungen (wie Transport) damit zu generieren. E-Autos oder gut isolierte Häuser verbrauchen teils deutlich weniger Energie oder weniger CO2-intensive Energie als die bisher genutzten Alternativen: Benziner oder schlecht gedämmtes Haus.
Verhaltensänderungen, die eine direkte Auswirkung auf die Klimabilanz haben, gibt es reichlich. Angefangen von Genügsamkeit (auch Suffizienz: weniger Fleisch, kleinere Wohnung), weiter mit bewusstem Einkauf sparsamer Produkte oder dem Wechsel des Energieträgers (Wärmepumpe) bis hin zur Investition in eine eigene Solaranlage. Wenn ich also (und mit mir viele andere) mit dem E-Bike oder dem normalen Fahrrad zur Arbeit pendle und nicht das Auto nehme, gibt es eine starke Entkopplung der erbrachten Transportdienstleistung vom Energie- und Materialverbrauch.
Preise und Vorschriften beeinflussen unser Konsumverhalten ebenfalls, sowohl was die Wahl der Produkte als auch die Technologie betrifft. Preisänderungen sollten uns auch zum Nachdenken anregen, warum wir eigentlich konsumieren. Hier gibt Abb. 5 eine Übersicht.
Abb. 5: Übersicht über verschiedene Konsumbedürfnisse.
Neben der Deckung von Grundbedürfnissen gibt es auch viele Konsumgüter, die wir gewohnheitsmäßig kaufen oder deren Bedürfnisse durch unsere Kaufkraft und unser Umfeld wesentlich bestimmt werden, z.B. regelmäßiger Urlaub. Neben Luxuskonsum gibt es außerdem noch die sogenannten Rückprallgüter, deren Konsum uns aufgezwungen wird, um unseren Lebensstil zu halten (pendeln) oder andere Ziele zu erreichen (z.B. Flug-Dienstreisen). Obige Darstellung gibt eine erste Orientierung, die dazu dienen kann, eigene Konsumgewohnheiten besser zu verstehen und zu hinterfragen.
Natürlich ist nicht jede Klimaschutzstrategie gleich wirksam und deren Anwendbarkeit hängt auch sehr stark vom Lebensstil und den Präferenzen der Einzelnen ab. Effektive Klimaschutzstrategien sind gekennzeichnet durch:
- spürbare Reduktion von CO2-Emissionen
- ist für eine große Zahl von Menschen durchführbar
- führt zum Hinterfragen eigener Konsumgewohnheiten und Umdenken
Eine detaillierte Erläuterung der verschiedenen Alltagstrategien für Klimaschutz sowie eine Diskussion von deren Tauglichkeit und Effektivität finden sich in folgender Videovorlesung, die im Sommersemester für das Studium Generale in Freiburg aufgezeichnet wurde und jetzt auf Youtube verfügbar ist: https://youtu.be/z0nHkG2WQLE
Konsens ist, dass weniger Fleischverzehr, Flugreisen, Autotransport und eine kleinere Wohnung die effektivsten Möglichkeiten sind, durch Änderungen im Konsumverhalten direkt auch die globalen Klimabelastungen zu reduzieren (Abb. 6). Außerdem stellt sich die zentrale Frage, wie individuelle Verhaltensänderung mit Änderungen auf Systemebene (erneuerbare Energien, CO2-Steuer, etc.) sinnvoll zusammenwirken können. Sicher ist, dass es starke Veränderungen auf allen Stufen der Energie-Dienstleistungs-Kaskade geben muss. Dazu gehören Verhaltensänderungen genauso wie die systemische Transformation des Energiesystems, um die ambitionierten aber erforderlichen Klimaziele auch innerhalb des gesteckten Zeithorizontes zu erreichen.
Abb. 6: Zusammenfassung ‚Klimaschutz im Alltag‘.
Anmerkungen
(*) Ein wichtiges Beispiel ist hier die Einführung von Elektroautos, die nur eine effektive Klimastrategie darstellen, wenn gleichzeitig auch die CO2-Intensität der Stromerzeugung massiv sinkt.
Literatur und Quellen
[1] Kalt, G., Wiedenhofer, D., Görg, C. & Haberl, H. Energy Research & Social Science Conceptualizing energy services : A review of energy and well-being along the Energy Service Cascade. Energy Res. Soc. Sci. 53, 47–58 (2019).