Klima-Fußabdruck der Deutschen ungleich über Einkommensgruppen verteilt – CO2-Steuer ohne Korrektur sozial ungerecht – Integration von Klima- und Sozialpolitik nötig

Die Bepreisung von CO2-Emissionen ist eines der wirksamstem ökonomischen Instrumente zur Bekämpfung des Klimawandels. Dadurch, dass die bisher kostenlose Deponierung von Treibhausgasen in der Atmosphäre einen Preis bekommt, eine ökonomische Externalität also Teil der (Geschäfts)-Bilanz von Unternehmen und Haushalten wird, entsteht ein Preissignal und damit ein ökonomischer Anreiz, auf CO2-ärmere Technologien und Produkte auszuweichen. Auf gut Deutsch: besonders Klimaschädliche Güter und Dienstleistungen (Flugreisen, Rindfleisch, …) kosten mit CO2-Steuer (deutlich) mehr als ohne und bei konstanten Einkommen kann man sich weniger davon leisten. Oder frau kauft stattdessen weniger CO2-intensive Güter mit ähnlicher Funktion (Fleischersatz, Pedelec, …) (Substitutionseffekt).

CO2-Preise können fest über eine Steuer oder flexibel über ein Emissionshandelssystem gestaltet werden. Bei ersterer Lösung sind die Effekte auf die Wirtschaftssubjekte besser planbar, es gibt aber keine Garantie dafür, dass die Steuer hoch genug ist, um die Gesamtemissionen auf das erforderliche Maß zu senken. Beim Emissionshandel ist die Menge an Gesamtemissionen über die Menge an CO2-Zertifikaten von vornherein festgelegt und der Preis bildet sich am Markt, ist aber zunächst unbekannt, was zur Verunsicherung der Marktteilnehmer führen kann.

Um herauszufinden, wie sich wirtschaftsweite CO2-Preise auf das Konsumverhalten der Menschen auswirken, muss man zunächst die Konsumausgaben einzelner Einkommensgruppen nach Produktgruppen getrennt erfassen und die produktspezifischen CO2-Fußabdrücke berechnen. Dadurch weiß man, wer wofür wie viel Geld ausgibt und wie viel CO2-Emissionen in den einzelnen Wertschöpfungsketten drinstecken. Anschließend kann man durch Multiplikation mit dem CO2-Preis ermitteln, wie groß die persönliche CO2-Steuerbelastung wäre, wenn Konsumverhalten und Produktionsverfahren nicht angepasst würden, das sog. Preissignal.

In einer Fallstudie für Deutschland hat Indecol-Freiburg-Doktorand Gilang Hardadi eine solche Berechnung durchgeführt, indem er einkommensgruppenspezifische Verbrauchsdaten an ein globales Input-Output-Modell zur Berechnung von CO2-Fußabrücken gekoppelt hat. Diese Studie ist im Journal of Industrial Ecology veröffentlicht worden [1]. Die Fußabdruck-Methode wurde hier verwendet, um die gesamten Emissionen in der Vorkette der konsumierten Produkte und Dienstleistungen zu erfassen, inkl. Transport und Beiträge durch importierte Rohmaterialien und Vorprodukte.

Abb. 1: zeigt, wie die Anteile von Nahrungsmitteln, Wohnkosten und Strom in den Haushaltsausgaben mit steigendem Einkommen sinken (rot/orange/dunkelgrün). Gleichzeitig steigen die Anteile von Transport, Gesundheitsdienstleistungen, und sonstigen Dienstleistungen (hellblau/violett/dunkelblau/braun). Ein ähnliches Muster ergibt sich für den CO2-Fußabruck, nur dass hier die relativen Beiträge aufgrund der unterschiedlichen CO2-Intensitäten der Produkte anders ausfallen: Vor allem Transport, Strom und andere Energieträger sowie Nahrungsmittel tragen zum Fußabdruck bei.

Abb. 1: Aufschlüsselung der einkommensspezifischen Haushaltsausgaben und Umweltfußabrücke, unterteilt in 12 Produktgruppen. (a) Aufschlüsselung von Ausgaben der KonsumentInnen. (b) Aufschlüsselung des CO2-Fußabdrucks (CF). (c) Aufschlüsselung des Materialfußabdrucks (MF). Der unterste Balken repräsentiert den durchschnittlichen deutschen Haushalt, die Balken sind nach steigendem Einkommen geordnet.

 

Der Gesamt-Klimafußabruck der deutschen Haushalte variiert über einen Faktor 3 (Abb. 2, breite Balken im Hintergrund), während die monatlichen Ausgaben von 950 bis 2500 Euro variieren, also ebenfalls mit einem Faktor ca. 3.

Besteuert man jetzt sämtliche CO2-Emissionen mit einem Preis von 50 EUR/t, würde jede Person ein Preissignal der Größe CO2-Preis * persönlicher Fußabdruck „spüren“. Dieses Preissignal wiederum kann in % der monatlichen Ausgaben umgerechnet werden (Abb. 2a, Vordergrund). Da die unteren Einkommensklassen relativ mehr CO2-intensive Güter konsumieren, ist ihre prozentuale maximale Steuerbelastung auch höher (bis zu 3% bei 50 EUR/t) als die der oberen Einkommensklassen (z.T. weniger als 1.5%), welche relativ mehr Dienstleistungen konsumieren. Das ist kein Zufall, sondern die Konsequenz von zwei Jahrhunderten fossiler Energiewirtschaft zur Deckung von vor allem der Grundbedürfnisse, also quasi die Definition der industriellen Revolution.

Einen abnehmenden Effekt einer Steuer mit steigendem Einkommen nennt man regressiv, solche Steuern belasten Haushalte mit weniger Einkommen stärker (in %). Potentiell sind solche Steuerverläufe ein Motor für mehr soziale Ungleichheit, weil vor allem ärmere Haushalte relativ mehr zur Kasse gebeten werden. Das Steuern auf Umweltauswirkungen regressiv sind ist nicht neu, neu an dieser Studie ist lediglich die konkrete Abschätzung des Effekts in Prozent für verschiedene Einkommensklassen.

Abb. 2: Szenario für eine einheitliche CO2-Steuer von 50 Euro / Tonne CO2e. (a) Szenario ohne teilweise Rückerstattung. (b) Szenario mit teilweiser Rückerstattung. Breite transparente Balken (Hintergrund, linke Achse) repräsentieren die Haushalts-CO2-Fußabdrücke pro Kopf nach Produktgruppen aufgeschlüsselt. Dünne dunklere Balken (Vordergrund, rechte Achse) stellen die Preissignale dar, quantifiziert als Anteil der gezahlten Kohlenstoffsteuer an den Gesamtausgaben (wie viele % der monatlichen Ausgaben würde als CO2-Steuer an den Staat fließen, wenn sich Produktionstechnologie und Konsummuster nicht ändern?)

 

Was also tun? Eine Integration vom Umwelt- und Sozialpolitik ist nötig, um umweltbezogene und gesellschaftliche Nachhaltigkeitsziele gleichzeitig zu erreichen. Eine mögliche Lösung für die CO2-Steuer wäre die teilweise Rückerstattung, hier gezeigt in Abb. 2b. In diesem Szenario werden 250 Euro pro Kopf pauschal zurückerstattet. Personen mit einem Fußabdruck von 5 Tonnen zahlen also netto gar nichts, spüren aber immer noch das Preissignal, da sich CO2-intensive Güter auch für sie verteuern. Personen mit einem Fußabdruck von über 5 Tonnen sind Netto-Zahler und spüren die relativen Preisunterschiede in den Gütern. Solche Umverteilungsmechanismen sind bereits implementiert, z.B. für die CO2-Abgabe auf Brennstoffe in der Schweiz [3] (Diese Abgabe ist eine reine Lenkungsabgabe, d.h. das gesamte Abgabenaufkommen wird zurückverteilt, der Staat nimmt netto nichts ein.)

Obige Abschätzungen geben einen ersten Einblick in die konkreten Auswirkungen einer CO2-Steuer. Sie sind unter der Annahme entstanden, dass sich Mengen und Preise nicht ändern, was bei relevanten CO2-Preisen natürlich nicht der Fall sein wird. Deswegen lässt diese Studie keine Schlüsse darüber zu, wie sich das Konsumverhalten und die Produktionsprozesse ändern werden, wenn die wirtschaftsweite CO2-Steuer kommt. Hier sind verfeinerte Marktmodelle sowie Umfragen nötig, um den tatsächlichen Umwelteffekt und die soziale Auswirkung verschiedener CO2-Preise und Umverteilungsmechanismen abzuschätzen.

Ein weitere interessanter (und deprimierender) Aspekt der Fußabdrücke und deren Steuerlast ist die Analyse der Klimaauswirkungen von Reichen. Das oberste Prozent der EU-Bürger hat einen CO2-Fußabdruck von ca. 55 t/Jahr, davon sind 34 t transportbezogen, wovon wiederum 23 t aus Flugreisen stammen [4].

 

Literatur:

[1] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/jiec.13045

[2] Einführender Blogeintrag zu den Ressourcen-Fußabdrücken Deutschlands: https://www.blog.industrialecology.uni-freiburg.de/index.php/2018/10/02/deutschlands-ressourcen-fusabdrucke-notwendig-aber-auch-nachhaltig/

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Lenkungsabgabe_(Schweiz)#CO2-Abgabe_auf_Brennstoffen

[4] https://doi.org/10.1017/sus.2020.12

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