Vergleichende Ökobilanz von Batterie- und Brennstoffzellen-PKWs

Um es gleich vorwegzunehmen: Aussagen wie „Technologie xy ist nachhaltig.“ oder „besser für die Umwelt“ als bisherige Lösungen sind bestenfalls Marketingphrasen, die weder mit der Realität noch mit einer wissenschaftlichen Weltauffassung vereinbar sind. Das liegt einfach daran, dass technologische Lösungen nur Bausteine in einem komplexen Mensch-Natur-Technik-System sind. Letzteres kann als Gesamtsystem nachhaltig sein oder nicht, aber den Bestandteilen, so wichtig Ihre Funktion sein mag, kann man diese Eigenschaft nicht zuschreiben. Anhand eines einzelnen Baumes kann man ebenfalls nicht ablesen, wie nachhaltig ein Wald bewirtschaftet wird, hier muss man sich ebenfalls das Gesamtsystem anschauen. Produkte wie Elektroautos sind auch auf keinen Fall ‚besser für die Umwelt‘ als Benziner oder Dieselfahrzeuge, sie sind bestenfalls in einigen (und idealerweise entscheidenden) Umweltauswirkungskategorien weniger schlecht als diese. Der Kauf eines Elektroautos ist auch nicht ‚gut für die Umwelt‘, denn es stecken eine Menge negativer Umweltauswirkungen in der Herstellung und Bereitstellung eines Fahrzeugs. Im besten Fall wird man sagen können, dass das System aus Herstellung, Betrieb, und Entsorgung (also der Lebenszyklus) eines Elektrofahrzeugs zu weniger Umweltauswirkungen für eine vergleichbare Dienstleistung (gefahrene km) führt als der Lebenszyklus eines PKW mit Verbrennungsmotor. Die Relation ‚Umweltauswirkungen pro Nutzen‘ ist also der relevante Indikator für den Vergleich von Antriebstechnologien, aber auch der macht noch keine Nachhaltigkeit: Für letztere ist nämlich wichtig, dass die negativen Umweltauswirkungen insgesamt zurückgehen, nicht nur die Umweltauswirkungen pro erzieltem Nutzen.

Wichtig ist auch, dass die verschiedenen Strategien zur nachhaltigen Entwicklung zukünftig auf bestimmte Weise zusammenwirken müssen, um die Umweltauswirkungen unserer Gesellschaft tatsächlich massiv zu senken. Positive Bilder hierzu (viele E-Fahrzeuge, ‚sauberer‘ Strom, alle teilen lieb ihre Autos und lassen sie außerdem als Netzpuffer immer an der Steckdose) gibt es zuhauf. Aber auch Dystopien sind möglich: Z.B. eine riesige Flotte autonom fahrender privater Elektroautos, die aufgrund des durch vorangegangene gut gemeinte Mobilitätspolitik verursachten Parkplatzmangels die Straßen verstopft und die weder zur Steigerung der Lebensqualität in Städten, noch – wegen des nur halbherzig umgebauten Energiesystems – zur Emissionsminderung beiträgt. Es kommt also nicht nur auf einzelne Technologien an, sondern auf deren Einbettung in größere wirtschaftliche, gesellschaftliche und (Stadt)-planerische Zusammenhänge.

Die für das Verständnis solcher Zusammenhänge wissenschaftlich relevanten Fragestellungen lauten:

i) Wie groß sind die Umweltauswirkungen verschiedener Fahrzeugtypen pro gefahrenem Kilometer?

ii) Welche Prozesse und Material-/Energieflüsse im Lebenszyklus sind besonders relevant, sowohl in Bezug auf Umweltauswirkungen als auch in Bezug auf die Kosten?

iii) Wie muss das Zusammenspiel zwischen Fahrzeugflotte, Nutzern und urbanem Raum aussehen, damit man in Zukunft tatsächlich von einem nachhaltigen Transportsystem reden kann?

Im Folgenden werde ich auf die ersten beiden Fragen eingehen, und mich auf drei Fahrzeugtechnologien (Batteriefahrzeug [1], Brennstoffzellenfahrzeug [2] und Benziner) konzentrieren. Anlass für diese Übersicht sind zwei kürzlich erschienene Studien zum Thema „Vergleichende Ökobilanz von Batterie- und Brennstoffzellen-PKWs“, eine vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) [3] und eine aus der Gruppe Industrial Ecology Freiburg (IEF) [4]. Da ich an letzterer beteiligt war, werde ich vor allem auf diese eingehen.

Beide Studien ähneln sich in ihrer Zielsetzung (i.e. Beantwortung der Fragen i und ii) und Methodik: Es wird der gesamte Lebenszyklus der Technologien untersucht, also inklusive der Herstellung sämtlicher Komponenten und Materialien, der Bereitstellung von Strom und Wasserstoff sowie der Behandlung und des Recyclings der Materialien am Ende der Nutzung. Die Methode der Wahl ist die vergleichende attributive Ökobilanz (comparative attributional life cycle assessment). Die Studien unterscheiden sich im Detail, z.B. in der Betrachtung der Lade- und Verteilungsinfrastruktur (ISE: nein, IEF: ja), der Einbeziehung von Wirkungskategorien jenseits von Treibhausgasen (ISE: nein, IEF: ja) oder der Betrachtung möglicher zukünftiger Strommixe (beide, aber mit unterschiedlichen Annahmen). Im Detail kommen beide Studien deshalb zu recht unterschiedlichen Ergebnissen, die in späterer Arbeit noch genauer untersucht werden müssen. In der IEF-Studie wird insbesondere nur Wasserstoff betrachtet, der mittels Elektrolyse hergestellt wurde und nicht durch Dampfreformierung von Erdgas und anderen Kohlenwasserstoffen, wie derzeit am meisten verbreitet und auch von der ISE-Studie betrachtet.

Die Ermittlung der zentralen Umweltauswirkungen der Studie der Industrial Ecology-Gruppe [4] führte zu folgenden zentralen Ergebnissen (Abb. 1 und Abb. 2).

Abb. 1: Beitrag der verschiedenen Stationen des Produktlebenszyklus zu den Gesamtumweltauswirkungen des Systems, bezogen auf einen gefahrenen Kilometer. Strommix mit 415 g/kWh (Deutschland 2018: Ca 474 g [5]). Quelle: [4].

Der für die hier gezeigten Ergebnisse verwendete Strommix hat eine mittlere CO2-Intensität von 415 g/kWh, das ist ein Szenario für Deutschland 2030 und liegt ca. 20% unter der derzeitigen CO2-Intensität. Für die drei Optionen Batterieautos (BEV), Brennstoffzellautos (FCV) und Benziner (Petrol) werden vier Wirkungskategorien dargestellt: Erderwärmungspotential (GWP, ganz links, in kg CO2-Äquivalenten), Humantoxizität (HTPnc, Mitte links, in kg Dichlorbenzol-Äquivalenten), die Auswirkungen auf die Ressourcenknappheit (SOP, Mitte rechts, in kg Kupfer-Äquivalenten) sowie die Feinstaubauswirkungen (ganz rechts, in kg 2.5-Mikrometer-Äquivalenten). In den Balkendiagrammen ist jeweils die Prozentuale Verteilung dargestellt, und zwar so, dass die Antriebstechnik mit den jeweils größten Umweltauswirkungen auf 100% skaliert ist. Bei Treibhausgasen (links) ist das das Brennstoffzellenauto, bei Ressourcenverbrauch (Mitte rechts) das Batterieauto. Die absoluten Werte der Umweltauswirkungen in den vier Wirkungskategorien sind unterhalb der Balken angegeben.

Man sieht, dass das Brennstoffzellfahrzeug für den gewählten Strommix in drei der vier untersuchten Wirkungskategorien die höchsten Auswirkungen hat, nur bei Ressourcenverbrauch (SOP) schneidet das Batteriefahrzeug schlechter ab, hier trägt die Batterie 60% zum Gesamtressourcenverbrauch bei.

In der Kategorie Klima (GWP) sieht man, dass Brennstoffzellen- und Benzinauto für die untersuchten Fahrzeugtypen zu ähnlich hohen Emissionen führen (359 und 327 g CO2/km). Nur das Batteriefahrzeug hebt sich mit 208 g CO2/km deutlich davon ab und hat in diesem Stromszenario ca. 36% geringere Treibhausgasemissionen pro km als der Benziner. Deutlich zu sehen ist, dass die Herstellung der Batterie- und Brennstoffzellfahrzeuge ein deutlich höheren Anteil an den Gesamtemissionen des Systems haben als die Herstellung des Benziners. Vor allem die Batterie, aber auch der Antriebsstrang und die Brennstoffzellen (FVC hydrogen system) schlagen hier zu Buche.

In einem solchen Szenario (Wasserstoff aus Elektrolyse bei 415 g CO2/kWh) ist also die Verwendung von Brennstoffzellfahrzeugen nicht sinnvoll, da sie zu keiner Reduktion der Klimabelastung pro gefahrenem Kilometer führt, dafür aber – vor allem durch die Förderung und Produktion des für die Wasserstoffkette benötigten Platins – die Auswirkungen in anderen Kategorien deutlich nach oben treibt. Das Batteriefahrzeug bietet immerhin eine moderate Einsparung von 36%, was bei konstanter Transportleistung und einem vollständigen Flottenumbau immerhin die Flottenemissionen um mehr als ein Drittel senken könnte. Für einen bedeutenden Beitrag des Transportsektors zur Reduktion von Treibhausgasemissionen reicht das jedoch nicht. Hierfür muss ein noch tiefgreifender Umbau der Stromerzeugung her, und Abb. 2 zeigt den Effekt einer solchen (Ziel: großenteils erneuerbare Energien mit insgesamt 92 g CO2/kWh) auf die Umweltauswirkungen der drei untersuchten Antriebstechnologien.

Abb. 2: Beitrag der verschiedenen Stationen des Produktlebenszyklus zu den Gesamtumweltauswirkungen des Systems, bezogen auf einen gefahrenen Kilometer. Strommix mit 92 g CO2/kWh (Deutschland 2018: Ca 474 g [5]). Quelle: [4].

Der Aufbau von Abbildung 2 ist mit dem von Abbildung 1 identisch. In den Balkendiagrammen ist jeweils die Prozentuale Verteilung der Umweltauswirkungen dargestellt, und zwar so, dass die Antriebstechnik mit den jeweils größten Umweltauswirkungen auf 100% skaliert ist. Bei Treibhausgasen (links) ist das der Benziner, bei Humantoxizität und Ressourcenverbrauch (Mitte) das Batterieauto und bei Feinstaub (rechts) das Brennstoffzellauto. Bei letzterem geht es weniger um den Feinstaub in der Stromerzeugung und Wassserstoffkette (32%) sondern um Feinstaubbelastungen, die aus der Herstellung des Fahrzeugs (36%), des Antriebsstranges (8%) und der Brennstoffzellen (22%) resultieren. Die absoluten Werte der Umweltauswirkungen in den vier Wirkungskategorien sind unterhalb der Balken angegeben.

Für den hier betrachteten Strommix (92 g CO2/kWh, das entspricht etwa einem Fünftel des derzeitigen Wertes für Deutschland), führen also sowohl das Batterie- als auch das Brennstoffzellenfahrzeug zu einem deutlichen Rückgang der Treibhausgasemissionen(fast 50% für die Brennstoffzelle und fast 60% für die Batterie), damit wäre also das Hauptziel massive Emissionsreduktion erreicht, wenn auch nur zu 50-60%. Erkauft wird dieses Ziel mit einem starken Anstieg von potentiellen Umweltauswirkungen anderswo: in den drei Nicht-Klima-Kategorien Mitte und rechts dominieren die Herstellung des Fahrzeugs, der Batterie und der Brennstoffzellen. Um auch diese Auswirkungen zu reduzieren, werden in den Herstellungsländern zusätzliche Maßnahmen notwendig sein, wie z.B. bessere Filtertechniken und Abwasserbehandlung.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Batteriefahrzeuge führen im Allgemeinen zu geringeren Umweltauswirkungen als Brennstoffzellfahrzeuge, pro gefahrenem Kilometer. Der Hauptgrund liegt im relativ geringen Wirkungsgrad der Elektrolyse, also der elektrochemischen Zerlegung von Wasser. Verluste mit eingerechnet, kommt die Kette Windkraftanlage-Netz-Batterie-Motor auf einen Gesamtwirkungsgrad von 83%, die Kette Windkraftanlage-Elektrolyse-Verdichtung-Transport-Brennstoffzelle-Motor auf 47-57% (Abb. 2 in ref. [4]).

Die Gesamtklimaauswirkungen – und auch das Abschneiden im Verhältnis zum Benziner – hängen wesentlich vom zukünftigen Strommix ab.

Gemäß dem derzeitigen Stand der Technologie ist die Haltung eines Brennstoffzellenfahrzeuges außerdem mit deutlich höheren Kosten verbunden (68,900 € für ein typisches Batteriefahrzeug vs. 130,100 € für ein Brennstoffzellenfahrzeug). Hierzu bietet ref. [4] eine detaillierte Auflistung der Kosten.

Herstellung und Betrieb der Ladeinfrastruktur für Batteriefahrzeuge tragen mit ca. 3,7%, die Wasserstoffinfrastruktur trägt mit ca. 3,3 % zu den Gesamttreibhausgasemissionen des Systems bei.

Eine Reihe weiterer Ergebnisse finden sich in den jeweiligen Berichten [4] und auch [3]. Dort sind auch sämtliche Daten und Annahmen gelistet, so dass diese geprüft und bei Bedarf geändert werden können.

Eine Ökobilanz ist immer mit großen Unsicherheiten verbunden, vor allem, was die möglichen zukünftigen Umweltauswirkungen betrifft. Die Ergebnisse der Kategorien Humantoxizität, Ressourcenknappheit und Feinstaub bieten lediglich eine grobe Orientierung, sind aber nicht als Indikatoren, z.B. für konkrete Reduktionsziele, geeignet. Anders verhält es sich bei den Treibhausgasemissionen, die recht genau ermittelt und deren Umweltauswirkungen recht genau vorhergesagt werden können.

Die Hauptfeststellung, dass die alternativen Antriebe bei einem recht CO2-armen Strommix von ca. 90 g CO2/kWh nur ca. 50% Einsparung zum Benziner liefern, sollte ernüchtern. Bei weitergehendem Umbau der Stromversorgung hin zur Klimaneutralität sind zwar weitere Reduktionen möglich, wie die Kollegen vom ISE zeigen [3], doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Deswegen ist es auch wichtig zu verstehen, dass die neuen PKW-Typen nicht an sich nachhaltig, ‚grün‘ oder besser für die Umwelt sind, sondern eben nur bestimmte Umweltauswirkungen reduzieren können, und manchmal (s. Abb. 1) noch nicht mal das. Mit dem derzeitigen Strommix wäre ein Umstieg auf alternative Antriebe (noch) keine gute Idee (https://www.blog.industrialecology.uni-freiburg.de/index.php/2017/11/05/wenn-das-verfehlen-von-klimazielen-gut-furs-klima-ist-oder-wie-weit-ist-es-bis-zur-nachhaltigkeit/)

Insgesamt muss die deutsche Volkswirtschaft ihre Anstrengungen zur Emissionsreduktion deutlich nach oben fahren: https://www.blog.industrialecology.uni-freiburg.de/index.php/2018/07/06/die-deutsche-volkswirtschaft-muss-sich-mindestens-doppelt-so-schnell-vom-co2-verabschieden-wie-bisher-wenn-die-klimaziele-fur-2050-erreicht-werden-sollen/

 

Quellen: (Zugriffe erfolgten am 30.7.2019)

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroauto

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Brennstoffzellenfahrzeug

[3] TREIBHAUSGAS-EMISSIONEN FÜR BATTERIE- UND BRENNSTOFFZELLENFAHRZEUGE MIT REICHWEITEN ÜBER 300 KM – Studie im Auftrag der H2 Mobility. André Sternberg, Christoph Hank und  Christopher Hebling, 2019. Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/news/2019/ISE_Ergebnisse_Studie_Treibhausgasemissionen.pdf

[4] Prospective Cost and Environmental Impact Assessment of Battery and Fuel Cell Electric Vehicles in Germany, Kai Bekel and Stefan Pauliuk. International Journal of Life Cycle Assessment, 2019, DOI 10.1007/s11367-019-01640-8 https://link.springer.com/article/10.1007/s11367-019-01640-8  Dieser Artikel ist leider nicht frei verfügbar, kann aber geteilt werden. Einfach eine Email an in4mation’at’indecol.uni-freiburg.de schreiben.

[5] https://www.umweltbundesamt.de/themen/co2-emissionen-pro-kilowattstunde-strom-sinken

 

 

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