Zur Klima- und Landnutzungsbilanz von Dieselkraftstoff (B7)

Im Jahr 2016 war der Verkehrssektor für mehr als 18 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich. [1] Die Beimischung von ‚Biotreibstoffen‘, also Diesel oder dieselähnlicher Substanzgemische aus nachwachsenden Rohstoffen ist eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen zu senken und die Klimabilanz des Transportsektors zu verbessern. Voraussetzung für eine verbesserte Klimabilanz ist natürlich, dass die Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen während ihres Anbaus und ihrer Produktion nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, z.B. durch Düngemitteleinsatz oder Landnutzungsänderung, als bei der Herstellung und Verbrennung von erdölbasiertem Diesel entstehen.

„Seit 2015 müssen die Inverkehrbringer von Kraftstoffen eine Treibhausgasminderungsquote in Höhe von 3,5% erfüllen. Da Biokraftstoffe nur etwa halb so hohe Treibhausgasemissionen verursachen wie fossile Kraftstoffe, müssen hierfür heute sechs bis sieben Prozent Biokraftstoffe beigemischt werden. Bis 2020 steigt die Treibhausgasminderungsquote weiter auf 6%.“ [2] Dieser Diesel wird dann als ‚B7‘ mit dem ergänzenden Schriftzug „Enthält bis zu 7% Biodiesel“ verkauft, und ca. 99% des getankten Biodiesels in der EU fallen in diese Kategorie. [2]

Der derzeitige durchschnittliche Dieselmix setzt sich wie folgt zusammen: fossiler Diesel: 93 Vol.-%, Rapsöldiesel: 3,4 Vol.-%, Palmöldiesel: 1,9 Vol.-%, aufbereitetes Speiseöl: 1,0 Vol.-%, tierische Öle: 0,3 Vol.-% sowie Sojaöl: 0,4 Vol.-%. [3], s. Abb. 1.

Abb. 1.: Derzeitige Zusammensetzung von Diesel B7 in Deutschland. Datenquelle: Ref. [3]. Quelle der Abbildung: Ref. [4].

Wie sehen die CO2-Bilanz und die Landnutzung dieses Treibstoffgemisches aus? Dieser Frage ging Frederick Hatherly, Student im MSc Renewable Energy Engineering and Management, in einer Hausarbeit nach, aus der ich hier zitiere.

In der openLCA-Software Version 1.7.4. [5] wurden, basierend auf Daten der ecoinvent Datenbank Version 3.2 [6], vier Produktsysteme angelegt: für 1 MJ fossilen Diesel, 1 MJ Rapsöldiesel, 1 MJ Palmöldiesel und 1 MJ für Diesel aus verbrauchtem Speiseöl. Hierbei wurden die Förderung oder der Anbau der Rohstoffe, die Umwandlung in Diesel oder dieselähnlichen Treibstoff sowie alle deutschlandspezifischen Transportvorgänge berücksichtigt („Well to wheel“ oder „Field to wheel“-Systemgrenze).

Mit den in ecoinvent 3.2 vorhandenen Rohdaten ergibt sich folgende Klimabilanz Abb. 2 und 3).

Abb. 2.: Vergleichende CO2-Bilanz der Hauptbestandteile von Diesel B7 in Deutschland. Datenquelle: Berechnung mit openLCA/ecoinvent 3.2. Quelle der Abbildung: Ref. [4]. Hierbei wurden für die Hälfte des palmölbasierten Biodiesels die Emissionen der für den Anbau notwendigen Rodung von Regenwald angerechnet. Eine Diskussion und Sensitivitätsanalyse dieser Annahme folgt weiter unten.

Die mit 3.4 Vol.-% größte Biodieselfraktion (Rapsöl) kommt auf eine deutlich geringere CO2-Bilanz als erdölbasierter Diesel (ca. 62 % geringe Treibhausgase), die zweitgrößte Bio-Fraktion (Palmöldiesel) kommt auf eine höhere Bilanz als die fossile Ausgangssubstanz. Die CO2-Bilanz der Mischung in Abb. 1 beträgt mit diesen Ergebnissen ca. 0,084 kg CO2-eq/MJ, das ist ungefähr 3% weniger als reiner fossiler Diesel und damit etwas geringer als die Zielmarke von 3,5%, aber durchaus im Bereich der Unsicherheit, die erheblich ist: Nicht nur konnten während der kurzen Dauer der Arbeit keine Vergleichsdatensätze für Sojadiesel in die Betrachtung eingebaut werden (dessen CO2-Potential als der Mittelwert der Werte für Raps- und Palmöldiesel abgeschätzt wurde), es ist vor allem die Klimabilanz der Waldrodung für neue Palmölplantagen in Südostasien, deren Zuordnung zu in Deutschland verbrauchtem Biodiesel unsicher ist.

Zum Einen gilt in Deutschland die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung [7], welche spezifische CO2-Einsparziele für Biodiesel im Vergleich zum Referenzdiesel aus Erdöl vorschreibt [8], welche mit einer vereinfachten Ökobilanz zu ermitteln sind:

  • ab 1.1.2011 mindestens 35 %
  • ab 1.1.2017 mindestens 50 %
  • ab 1.1.2018 mindestens 60 %, wenn die Produktionsanlage nach dem 31.12.2016 in Betrieb genommen wurde [8]

Alle diese Reduktionsziele werden für Palmöldiesel eingehalten, wenn keine Landnutzungsänderung bilanziert wird (Abb. 4 linke Säule).

Zum Anderen kommt es durch massiv gesteigerten Verbrauch von nachhaltig produziertem Biodiesel zu sogenannten indirekten Landnutzungsänderungen (englisch: indirect land use change; kurz iLUC oder iluc). Damit ist der Effekt gemeint, dass, wenn durch zusätzliche Rohstoffnachfrage (z.B. Palmöl für Biodiesel) Flächen jetzt für Biodiesel produzieren, die vorher andere Nachfrage (z.B. nach Nahrungsmitteln) bedient haben, diese andere Nachfrage durch Produktion von anderen Flächen, also indirekt abgedeckt wird. Insbesondere kann es zu einer Ausweitung der Gesamtanbaufläche durch Erschließung neuer Anbauflächen kommen, und diese Flächen sind im iLUC-Konzept teilweise oder ganz der „neuen“ Nachfrage zuzurechnen (marginaler Effekt). [9] Die Zurechnung der neu gewonnenen Anbauflächen, welche zur Abdeckung der Gesamtnachfrage notwendig sein kann, verschlechtert die Klimabilanz von Biodiesel erheblich, wie Abb. 3 (mittlere Säule) zeigt. Hier wird klar, dass die Emissionen der Landnutzungsänderung, also vor allem der Rodung tropischer Urwälder, Hautbestandteil der CO2-Bilanz von “durchschnittlichem” Palmöldiesel sind.

Abb. 3.: Vergleichende CO2-Bilanz der Hauptbestandteile von Diesel B7 in Deutschland. Datenquelle: Berechnung mit openLCA/ecoinvent 3.2. Quelle der Abbildung: Ref. [4]. Hier sind die Beiträge der einzelnen Stufen der Produktionskette dargestellt: orange: Anbau der Ölfrüchte, grau: Verarbeitung und chemische Prozesse, violett: Transport, grün: Landnutzungsänderung (Kahlschlag und Zerstörung von Urwäldern), braun: Erdölförderung und –verarbeitung, schwarz: CO2-Emission aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe.

Das Umweltbundesamt hält zur Problematik der indirekten Landnutzungsänderung fest: “Es ist weitgehend anerkannt, dass der iLUC-Effekt ein bedeutender Faktor für die Ökobilanz von Biokraftstoffen ist. Allerdings ist seine genaue Bestimmung seiner Größenordnung und die damit zusammenhängenden Emissionen nur über komplexe Modellrechnungen möglich, deren Methodik kontrovers diskutiert wird.” [9] Um die Auswirkung verschiedener Landnutzungsfaktoren auf die Klimabilanz von Palmöldiesel zu illustrieren, wurde eine sogenannte Sensitivitätsanalyse durchgeführt (Abb. 4).

Gelänge es, den Palmöldiesel im B7-Mix überwiegend auf Bestandsflächen anzubauen und indirekte Landnutzungsänderung auszuschließen, würde die Klimabilanz dieser Komponente mit 0.015 kg CO2-eq/MJ deutlich besser ausfallen, wie Abb. 4 zeigt. Vor allem aufgrund der höheren Flächenerträge wäre die Klimabilanz von importiertem Palmöldiesel bis zu 50% geringer als die des einheimischen Rapsöldiesels.

Abb. 4.: Sensitivitätsanalyse: Klimabilanz von Palmöldiesel, der zu 0%, 50% und 100% auf zuvor gerodeter Waldfläche angebaut wird, im Vergleich zum erdölbasierten Diesel. Die 50%-Mischung ist die in dieser Bilanz verwendete. Quelle der Abbildung: Ref. [4].

Dass Angebot von Rapsöl und insbesondere Palmöl von Bestandsflächen ist begrenzt – dazu kommt noch der Nutzungskonflikt mit der Nahrungsmittelindustrie und die durch die gesteigerte globale Nachfrage erzeugte indirekte Landnutzungsänderung. Deshalb darf man sich bezüglich der Klimabilanz großer Mengen Palmöldiesels in deutschen Tanks keinen Illusionen hingeben, solche Mengen sind global nicht CO2-arm zu beschaffen, von der Nachfrage in anderen Ländern mal ganz abgesehen.

Abb. 5.: Landverbrauch für die Bereitstellung von B7-Diesel. Die Treibstoffmischung entspricht der in Abb. 1 dargestellten. Quelle der Abbildung: Ref. [4].

Ein weiteres zentrales Problem der Biotreibstoffgewinnung ist die Flächeninanspruchnahme. Da Biotreibstoffe auf Photosynthese mit einem Wirkungsgrad von 0.5-2% beruhen, ist deren Flächenbedarf enorm. Fossile Treibstoffe hingegen werden aus Lagerstätten sehr hoher Flächenenergiedichte gewonnen. Somit ergibt sich für die Landnutzung des B7-Diesels mit der Zusammensetzung wie in Abb. 1 ein komplett anderes Bild als der Volumenmix suggeriert: der erdölbasierte Dieselanteil von 93% steht für nur 8% der Landnutzung, der mit Abstand größte Anteil der Landnutzung hat mit 66% der Rapsölanteil von 3.4%. Auch hier deutet sich an, dass ein wesentlich höherer Biospritanteil aus deutschen Rohstoffen, der ja ebenfalls mit der Nahrungsmittelproduktion in Konflikt steht, nicht machbar ist.

Fazit: Eine Verkehrswende ist erforderlich, um den deutschen Transportsektor nachhaltiger zu gestalten. Ein Wechsel zu anderen Transportmitteln, die Kombination Ökostrom und Elektroautos, sowie die Herstellung von Wasserstoff und flüssigen Treibstoffen aus überschüssigem Ökostrom sind dringend geboten, damit auch der Transportsektor einen Beitrag zu Deutschlands Klimazielen und dem globalen 2-Grad-Ziel leisten kann.

Danksagung:

Vielen Dank an Frederick Hatherly, Student im MSc Renewable Energy Engineering and Management, für die tolle Hausarbeit, die den Anlass und das Rohmaterial für diesen Blogeintrag geliefert hat.

Literaturverzeichnis

Der Zugriff auf alle hier gelisteten Internetseiten erfolgte am 24. April 2019.

[1] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimaschutz-energiepolitik-in-deutschland/treibhausgas-emissionen/emissionsquellen

[2] https://www.shell.de/autofahrer/shell-kraftstoffe/technische-informationen/b7-diesel-mit-bis-zu-7-biodiesel.html

[3] Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, “Bericht zur Markt- und Versorgungslage: Ölsaaten, Öle und Fette – 2018,” Bonn, 2018.

[4] Frederick Hatherly 2019: A Comparative LCA Investigating the Environmental Impacts of the Biological and Fossil Feedstocks of Germany’s B7 Diesel-Blend. Term Paper for the Project Module in the MSc Renewable Energy Engineering and Management, Freiburg, Germany. This paper is available upon request.

[5] www.openlca.org/

[6] https://www.ecoinvent.org/

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung

[8] http://www.biokraftstoffverband.de/index.php/nachhaltigkeitsverordnung-biokraft-nachv.html

[9] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/bioenergie#Nachhaltigkeit

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