[English summary below] Essen ist längst mehr als nur satt werden – es ist eine Lebensart, Plauderthema, Ersatzreligion für manche und eine Plattform, um Umweltbewusstsein zu zelebrieren und zu demonstrieren. Letzteres zurecht, denn die industrielle Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion tragen signifikant zu mehreren globalen Umweltproblemen bei, unter anderem zur Reduktion der Artenvielfalt, zur regionalen Wasserknappheit und zum Klimawandel. Gleichzeitig ermöglicht die Industrialisierung der Landwirtschaft es überhaupt erst, dass über sieben Milliarden Menschen auf dem Planeten leben können. Genaue Betrachtungen und Abwägungen sind also nötig: Welche Konsummuster und welche Produktionsprozesse sind angesichts dieser Umweltprobleme moralisch zu rechtfertigen und welche nicht?
Dieser Beitrag soll keine Antwort auf diese Frage liefern, sondern das Problem anhand eines Beispiels illustrieren, nämlich des Imports von Südfrüchten.
Zur Industrialisierung der Landwirtschaft kommt die Globalisierung, die uns Endverbraucher in reichen Ländern praktisch unabhängig von der saisonalen Verfügbarkeit von Lebensmittel macht und uns außerdem einen Produkt- und Geschmacksreichtum erschließt, von dem frühere Generationen nur träumen konnten. Billiger Transport, ermöglicht durch fossile Brennstoffe, ist ein wesentliches Element der Globalisierung. Er ermöglicht, dass Produzenten Zugang zu weit entfernten Kunden bekommen, so dass z.B. Litschis aus Madagaskar und Bohnen aus dem Senegal ihren Weg zu uns finden und wir so mit unseren Kaufentscheidungen auch zur Wohlstandsentwicklung in diesen Ländern beitragen können. Soweit die Theorie. In der Praxis sind die Arbeits- und Umweltstandards oft sehr niedrig, und fair gehandelte Produkte decken nur Nischenmärkte ab. So stammten z.B. im Jahr 2017 nur ca. 5% des importierten Kaffees aus fairem Handel. [1]
Ein weiteres Problem ist, dass sich die Klimabilanz importierter Produkte durch die langen Transportwege verschlechtern, was sich aber aufgrund der geringen Transportkosten oft kaum auf die Preise niederschlägt. So wurde zum Beispiel ermittelt, dass die für Anbau und Transport eines Apfels aus Neuseeland nötige Energie ca. 30% größer ist, als die eines heimischen Apfels. [2] Der Unterschied ist nicht so groß, wie man erwarten würde, weil die heimischen Äpfel über Monate hinweg in Kühlhäusern gelagert werden. [2]
Ein besonders übles Beispiel für umweltschädlichen Luxuskonsum ist der Verzehr von mit dem Flugzeug transportierten Lebensmitteln. Mittels einer Ökobilanz, die den Energie- und Materialverbrauch eines Produkts oder einer Dienstleistung entlang der Wertschöpfungskette erfasst und die damit verbundenen Umweltauswirkungen berechnet, kann man abschätzen, wie groß der CO2-Fußabdruck von importiertem Obst ist und wie sich verschiedene Transportmodi auf die Klimabilanz auswirken.
Die Idee, die Auswirkungen des Transports auf die Klimabilanz tropischer Früchte wissenschaftlich zu untersuchen, hatten die Master-Studenten Peiman Hadjian, Tobias Bahmer und Julian Egle, die diese Untersuchung im Rahmen einer Hausarbeit für den Kurs „Life Cycle Management“ durchführten, den ich jeden Winter unterrichte. [3] Ich habe ihre Arbeit mit großem Interesse gelesen, und für diesen Artikel noch eine vereinfachte Betrachtung der Option „Transport mit Flugzeug“ drangehängt. Die Transportwege der drei Produkte Avocado (Mexico), Ananas (Costa Rica) und Bananen (Ecuador) sind in folgender Abbildung dargestellt (Abb. 1).
Abb. 1: Weltkarte mit den Ursprungsländern der drei Früchte Avocado (Mexico), Ananas (Costa Rica) und Bananen (Ecuador) und deren Transportweg über den Atlantik nach Rotterdam und anschließend nach Freiburg. Quelle: [3].
Neben dem Transport wurden außerdem betrachtet: Sämtliche relevante Vorprodukte in Anbau und Ernte der Früchte, modelliert in der Lebenszyklus-Prozessdatenbank ecoinvent Version 3.2, der durchschnittlich anfallende Abfall während des Transports, der Betrieb der Kühlaggregate und die Verpackung der Früchte in Pappkisten. Diese Inputs in den Referenzfluss „Südfrucht X aus Lateinamerika, Verzehr in Freiburg“ sind in folgender Abbildung, die dem Ökobilanz-Programm openLCA entnommen ist, dargestellt (Abb. 2).
Abb. 2: Vorprodukte und Referenzprodukt für den Referenzfluss „Banane aus Ecuador, Verzehr in Freiburg, 1 kg“. Quelle: screenshot openLCA, [3].
Die Studenten berechneten und diskutieren die Klima-, Wasser-, Land- und Landumwandlungs-Fußabdrücke der drei Früchte; dies ist im Bericht nachzulesen. [3] Hier möchte ich auf die Klimaauswirkungen des Verzehrs von Südfrüchten eingehen (Abb. 3).
Abb. 3: Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette für die drei Südfrüchte Avocado (Mexico), Ananas (Costa Rica) und Bananen (Ecuador) und deren Transportweg über den Atlantik nach Rotterdam und anschließend nach Freiburg, in CO2-Äquivalenten. Die verzehrte Menge beträgt jeweils 1 kg, der Überseetransport erfolgt mit einem Kühlschiff. Quelle: [3].
Beim Verzehr von 1kg Südfrüchten in Deutschland werden zwischen 0.7 kg CO2 (Ananas) und 1.4 kg CO2 (Avocado) freigesetzt. Davon entfallen 0.1 (Ananas) bis 0.7 kg (Avocado) auf den Anbau und die Ernte (‚Production‘), ca. 0.15 kg auf die Verpackung, und 0.4-0.5 kg auf den Transport mit dem Kühlschiff. Der Transport über den Ozean alleine macht also ca. 35 % (Avocado), ca. 60% (Banane) und ca. 65% (Ananas) der Gesamtemissionen der Wertschöpfungskette aus.
Zum Vergleich: Ein Kilo Äpfel aus Mitteleuropa kommt, nach 5 Monaten Lagerung, auf eine CO2-Bilanz von ca. 0.27 kg (Berechnung mit ecoinvent 3.2, Datensatz „apple production | apple | cut-off, U“), dazu käme dann noch die Verpackung (ca. 150g CO2) und der Transport per LKW zum Endverbraucher (50g-100g CO2), also nochmal 200-250 g CO2, also ca. 500 g CO2 insgesamt.
Erfolgt der Transport der Früchte mit dem Flugzeug, was vor allem für schnell verderbliche Produkte wie Mangos und frische Beeren nicht unüblich ist, verschlechtert sich die Klimabilanz drastisch, wie in Abb. 4. für die drei untersuchten Früchte exemplarisch dargestellt wird.
Abb. 4: Sensitivitätsanalyse zum Transportmodus, CO2-Bilanz. In den in Abb. 2 dargestellten Inventaren wurde der Schiffstransport durch Transport mittels Frachtflugzeug ersetzt, dabei wurde dieselbe Transportentfernung verwendet.
Hier liegt man klimamäßig einen Faktor 20 und mehr über dem Apfel, das ist also für Umwelt- und damit auch klimabewusste Verbraucher ein No-Go. Abb. 5 zeigt außerdem, dass es auch in den meisten anderen Wirkungskategorien wie Toxizität oder Feinstaub zu deutlichen Erhöhungen kommt.
Abb. 5: Sensitivitätsanalyse zum Transportmodus für die Avocado, weitere Wirkungskategorien. In dem in Abb. 2 dargestellten Inventar wurde der Schiffstransport durch Transport mittels Frachtflugzeug ersetzt, dabei wurde dieselbe Transportentfernung verwendet.
Die Wahl der Nahrungsmittel ist eben auch ein Hebel für nachhaltige Konsumentscheidungen, und es gibt durchaus klare Empfehlungen, wie zum Beispiel vom BR [4]:
„Nur was Saison hat, ist wirklich gut!
Eine Faustregel ist gültig und einfach zu merken: Wer überwiegend saisonal, aus der Region einkauft und sich strikt daran hält, unterstützt nicht nur die lokalen Betriebe, sondern tut auch der Natur etwas Gutes. Es liegt nämlich auf der Hand, dass Salat, Tomaten oder Äpfel aus der Region, von Frühsommer bis Herbst – also wenn sie eben in Deutschland natürlich wachsen und gedeihen – eine bessere Umweltbilanz aufweisen, als Gemüse, das in dieser Zeit aus Übersee kommt. Eine klare Angelegenheit!“ [4]
Weitere wichtige Aspekte betreffen Überkonsum und unnötiges Wegwerfen von Nahrungsmitteln sowie die Wahl des Transportmittels zum Einkauf, alles zusammengefasst unter dem Slogan „Sorgsamer Umgang mit Lebensmitteln fördert Klimaschutz“ [5]
Eine Übersicht über die Klimabilanz und Wasserbilanz verschiedener Nahrungsmittel aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft sowie weitere Verbraucherempfehlungen finden sich auf den Seiten des Umweltministeriums [6], eine englischsprachige Übersicht über den Unterschied zwischen Schiffs- und Luftfracht für eine Reihe importierter Lebensmittel ist ebenfalls verfügbar. [7]
Die für die Ökobilanzen der Südfrüchte sowie deren Verpackung und Transport verwendeten Prozessdaten (Abb. 2) sind ein einer openLCA-Datei gespeichert und unten verlinkt. Zum Selberrechnen benötig man Zugang zu ecoinvent 3.2 in openLCA. [8]
English summary: Figure 4 shows the global warming potential (GWP) of the consumption of three tropical fruits, transported from Central America to Central Europe and consumed there. Two transport options are shown for crossing the Atlantic: ship and airfreight, both with cooling. For comparison: The typical GWP of apples from central Europe is ca. 500 g of CO2-eq. per kg. The results clearly show that choosing airborne transport is not an option for environmentally conscious consumers, not only because of the exuberantly high climate impact but also because of the substantially higher impacts in many other categories (Fig. 5). Recommendations for less unsustainable consumption patterns include: buy regional AND seasonal, avoid food waste, and be conscious about your choice of transport mode when shopping for food. More info in English in ref. [7].
Quellen/Material
[1] http://www.forum-fairer-handel.de/fairer-handel/zahlen-fakten/
[2] http://doreenbrumme.de/2015/06/oekobilanz-eines-apfels-einheimisch-und-regional-vs-importiert/
[5] https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Klimawandel_auf_dem_Teller.pdf