Was eine Steuer auf CO2 leisten könnte – und was nicht

[What a tax on carbon dioxide could achieve, and what not. English summary below] Eine Besteuerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung oder Herstellung emissionsintensiver Energieträger und Produkte ist bereits in 18 Ländern aktiv oder fest vorgesehen.[1] Deutschland gehört nicht dazu, hat aber klimagasrelevante Abgaben in Form der Ökosteuer und durch die Einbindung in den EU-Emissionshandel. Die Ökosteuer untergliedert sich in die Energiesteuer (vormals Mineralölsteuer) für alle Energieträger außer Strom und die separate Stromsteuer.[2] Der EU-Emissionshandel deckt die Klimagasemissionen aus europaweit ca. 11000 Industrieanlagen und Kraftwerken sowie von Teilen des Luftverkehrs ab.[3]

Es stellt sich also zunächst einmal die Frage, welchen Effekt eine zusätzliche oder alternative Besteuerung von CO2-Emissionen aus Energieträgern und Produktionsanlagen haben könnte. Abgesehen von der Analyse der politischen und rechtlichen Machbarkeit im Vergleich zu den bestehenden Systemen brauchen wir erstmal einen Überblick über die derzeit gültigen Steuersätze und deren Relation zu den CO2-Emissionen der jeweiligen Energieträger und Produkte.

Zur Beantwortung dieser Frage wurden 13 wichtige Energieträger, Verwendungszwecke, und Verbrauchertypen (Strom für Haushalte, Strom für Industriekunden, Benzin, Diesel, Heizöl, …) sowie die vier Materialgruppen Zement, Stahl, Aluminium und Kunststoffe betrachtet und die für diese Gruppen typischen Endverbraucherpreise, die derzeit gültigen Ökosteuersätze sowie die jeweiligen CO2-Intensitäten zusammengestellt. Anhand dieser Daten kann nun Folgendes berechnet werden: (a) Energiesteuer in % des Verkaufspreises, (b) Energiesteuer per Energieeinheit, (c) Energiesteuer pro CO2-Emissionen des jeweiligen Energieträgers, sowie (d) die Preisänderung bei Einführung einer CO2-Steuer (in diesem Falle wurden ambitionierte 100 EUR pro Tonne CO2 angenommen).

Die Analyse dieser Indikatoren bringt Erstaunliches zu Tage (Abb. 1):

Abb. 1: CO2-Intensität verschiedener Energieträger (blaue Balken, linke Achse),  Energie- und Stromsteuer pro Energieeinheit (grüne Balken, rechte Achse), sowie Energie- und Stromsteuer in % des Endverbraucherpreises (Prozentzahlen). Das Referenzjahr ist 2017. Für Strom wurde die für 2017 ermittelte durchschnittliche CO2-Intensität pro kWh des deutschen Strommixes verwendet.

 

Zunächst sieht man, dass die Energiesteuer per kWh (grüne Balken) in sehr unterschiedlichem Maße auf die einzelnen Energieträger aufgeschlagen wird, ein direkter Bezug zur CO2-Intensität (blaue Balken) ist nicht erkennbar. Kerosin wird aufgrund des Chicagoer Luftfahrtabkommens aus dem Jahr 1944 gar nicht besteuert (ein Skandal!), Kohle lediglich mit 0.2 ct/kWh, Strom mit 2.05 ct/kWh, und besonders zugelangt wird bei den Fahrzeugtreibstoffen (Benzin 7, Diesel 4.2 und LPG/Erdgas ab 2019 3.2 ct/kWh), wobei hier die Finanzierung des Straßenbaus die Höhe der Steuer wesentlich beeinflusst, wie der Vergleich mit Heizöl (EL = extraleicht) zeigt, welches chemisch identisch mit Diesel ist, aber nur mit 0.55 ct/kWh besteuert wird.

Die hohen Energiesteuersätze für Diesel und Benzin führen dazu, dass diese bereits jetzt, also ohne eine CO2-Steuer, ca. die Hälfte des Verbraucherpreises für diese Treibstoffe ausmachen. Bei industriell genutztem Erdgas und Kohle sind es immerhin noch ca. 20% des Preises. Für Haushalte macht die Ökosteuer auf Strom und Erdgas ca. 8% des Verbraucherpreises aus. Zu diesen Preisaufschlägen gesellt sich allerdings noch die Mehrwertsteuer, die EEG-Umlage sowie weitere Sonderabgaben, z.B. für Gas-Infrastruktur.

Eine weitere wichtige Kenngröße ist die Energiesteuer pro CO2-Emission (Abb. 2):

Abb. 2: Energiesteuersatz pro CO2-Emissionen für einzelne Energieträger, in EUR/Tonne. Für Strom ist der Extremfall dargestellt (komplette Befreiung oder Rückerstattung der Stromsteuer für eine längere Liste bestimmter Industrieprozesse). Für Kohle beträgt das CO2-Preisäquivalent der Steuer ca. 3 EUR/Tonne. Das Referenzjahr ist 2017.

 

Schon jetzt ist die Steuerlast auf einzelne Energieträger erheblich, vor allem, wenn man sie in Relation zu den CO2-Emissionen sieht. Für Benzin entspricht der Energiesteuersatz einen Gegenwert von ca. 280 EUR/Tonne, für Diesel und Erdgas (ab 2019) sind es um die 170 EUR/Tonne. Das heißt, dass die Energiesteuer pro Liter Benzin, geteilt durch die CO2-Emissionen der Verbrennung von 1 Liter Benzin einen finanziellen Gegenwert der Emissionen von ca. 280 EUR/Tonne ergeben! Von einem solchen Steuersatz für CO2 können die Klimaschützer nur träumen. Weniger drastisch, aber immer noch substantiell ist der Wert für Flüssiggas als Treibstoff (140 EUR/Tonne). „Günstiger“ weg kommen Strom für Privatkunden (ca. 42 EUR/Tonne), Erdgas (ca. 31 EUR/Tonne) und Heizöl (ca. 22 EUR/Tonne). Der CO2-Preis-Gegenwert der Energiesteuer für Kohle ist mit ca. 3 EUR/Tonne sehr gering.

Damit wird nochmal überdeutlich, dass die derzeitigen Energiesteuersätze wenig mit der CO2-Intensität der einzelnen Treibstoffe zu tun haben und dass allein deshalb eine CO2-Steuer oder eine der CO2-Intensität der Brennstoffe entsprechende Anpassung der Energiesteuersätze erforderlich ist, um die eklatanten Lücken (Kohle! Kerosin!) zu füllen. Außerdem kann man erahnen, dass vor allem die Industrie bisher sehr geschont wird (Strom, Kohle, Kerosin), was oft mit internationalem Preisdruck und der teilweise begründeten Furcht vor Abwanderung begründet wird und sich auch in den sogenannten ‚freien Allokationen‘ für manche Branchen im EU-Emissionshandel niederschlägt.

Wie würden sich die Preise ändern, wenn jetzt zusätzlich eine CO2-Steuer eingeführt würde? Die Antwort liefert Tabelle 1, und zwar für den Fall eines recht hohen Steuersatz von 100 EUR/Tonne, der in vielen Entkopplungsszenarien erforderlich ist, um die fossilen Energieträger schnell genug aus dem Energiemix zu verdrängen. Der gegenwärtige CO2-Zertifikatepreis im EU-Emissionshandel beträgt ca. 20 EUR/Tonne [4], Frankreich diskutiert eine CO2-Steuer von 55 EUR/Tonne [5]. Tabelle 2 zeigt zusätzlich die zu erwartenden Preisänderung für vier Grundstoffe, welche mit den im EU-Emissionshandelssystem festgelegten CO2-Benchmarks ermittelt wurden. [6]

Tabelle 1: Preisänderungen für verschiedene Energieträger bei Ersatz der Energiesteuer durch eine CO2-Steuer bei einem Steuersatz von 100 EUR/Tonne CO2. Für die Energieträger Benzin, Diesel und Erdgas (Transport) wurde angenommen, dass nicht die gesamte Energiesteuer ersetzt wird, sondern nur der Teil der Steuer, der dem Steuersatz von Heizöl entspricht, der Rest wurde als Beitrag zur Finanzierung des Straßennetzes beibehalten. Je nach Prozess bezahlen Industriekunden 0% oder 100% der Stromsteuer, deshalb ist dort ein Bereich angegeben. Das Referenzjahr ist 2017.

 

 

Tabelle 2: Preisänderungen für Grundstoffe bei einem CO2-Steuersatz von 100 EUR/Tonne.

 

Richtig reinhauen würde die CO2-Steuer bei Kohle (fast siebenmal teuer!), Zement (Preisverdopplung), Aluminium und Kerosin (70% teurer, Erdgas für Industriekunden (50% teurer) und Strom für bisher steuerbefreite Industriekunden (40% teurer). Auch diese Ergebnisse sind ein Hinweis darauf, dass Industriekunden bisher verschont werden bzw. gute Lobbyarbeit geleistet haben. Das Referenzjahr für Tabelle 2 ist 2007 (sic!).

Man sieht auch, dass durch die hohe bereits bestehende Steuerlast auf von Privatkunden konsumierte Energieträger die dort zu erwartenden Preisanstiege moderat ausfallen würden (Strom: 9%, Benzin: 13%, Erdgas: 20%, Diesel: 24%), mit der Ausnahme von Heizöl, welches um 40% teurer werden würde. Einerseits liegen die Anstiege für Gas, Benzin und Diesel im Rahmen der jährlichen Preisschwankungen für die Haushalte und somit ist zu vermuten, dass diese Preisanstiege verkraftet werden können, andererseits wäre ein deutlich stärkeres Preissignal aus Sicht des Klimaschutzes durchaus wünschenswert (wir reden hier über ambitionierten Klimaschutz!).

Zusammenfassung/Fazit:

  • Die derzeit gültigen Energiesteuersätze sind Ergebnis einer historischen Entwicklung und sind nicht an die CO2-Intensität der einzelnen Energieträger gekoppelt.

 

  • Bestimmte Energieträger, vor allem Kohle und Kerosin, haben keine oder sehr niedrige Energiesteuersätze. Hier würde eine CO2-Steuer oder ein äquivalentes Anpassen der Energiesteuersätze ein deutliches Preissignal setzen. Bei einem CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne würde sich der Preis von Kohle versiebenfachen.

 

  • Der CO2-Preis-Gegenwert der Energiesteuer auf Benzin beträgt ca. 280 Euro pro Tonne CO2. Benzin würde bei einer CO2-Steuer von 100 EUR/Tonne auch nur um 13% teurer werden, wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil der derzeitigen Energiesteuer auf Benzin nicht aus Umweltgründen sondern zur Finanzierung des Straßennetzes erhoben wird. Ein solcher Preisanstieg liegt innerhalb der jährlichen Preisschwankungen und würde kaum zu einem spürbaren Rückgang des Verbrauchs führen. Hier ist die Wirksamkeit einer CO2-Steuer eventuell sehr begrenzt. Ähnliches gilt für Diesel und für Erdgas als Treibstoff.

 

  • Industriekunden und Fluggesellschaften genießen durch die derzeit gültigen Steuersätze erhebliche Vorteile, vor allem bei der Verwendung von Kohle, Strom, Kerosin sowie bei der Herstellung von Zement, Stahl und Aluminium.

 

English Summary:

How would a tax on CO2 impact energy and bulk material commodity prices? Using the three readily available datasets: commodity price, CO2 intensity, and current energy or other eco-taxation levels, a number of interesting indicators can be calculated. These include: The tax per MJ or kWh for each energy carrier, the tax per CO2 emitted during fuel combustion or material production, the share of the commodity price that is eco-tax, and the price change under an additional carbon tax. Performing the calculations for Germany using 13 major energy carriers and 4 bulk materials, the following conclusions were derived. Data and calculations can be found in the Excel workbook linked below.

  • Current energy and other eco-taxation levels are the result of a development and consensus-building process and do not correlate with the CO2 intensity of the different energy carriers.
  • Some energy carriers, first and foremost coal and jet fuel, have no or very low energy tax rates. Here, a tax on the CO2 released during combustion of these energy carriers would send a strong price signal. At 100 EUR per tonne of CO2, the price of coal would increase sevenfold.
  • The energy tax per CO2 emitted for gasoline in Germany is at ca. 280 EUR per tonne of CO2. At a carbon tax level of 100 EUR/ton, the price of gasoline would increase by only 13% if one takes into account that the currently very high energy tax levels (ca. 50% of the consumer price) are mostly due to the need to finance the public road infrastructure and not due to environmental reasons. Such a price increase lies well within the annual fluctuations, and it is therefore unlikely that it would lead to any significant reduction in consumption. This example, which also holds for diesel and LNG used as transport fuel, shows that the additional effect of a CO2 tax can be very limited.
  • At current energy taxation rates, industrial customers and airlines enjoy significant benefits when using coal, electricity, and jet fuel and for the production of cement, steel and aluminium.

 

Material/Data

Die verwendeten Daten und Berechnungen sind in folgender Excel-Tabelle verfügbar. The data used and calculations made are available as Excel-File: [IEF_Freiburg_EnergyCarriers_CO2_Germany_2017]

Literatur

[1] Weltbank und Ecofys (Hrsg.): Carbon Pricing Watch 2016. 2016, S. 4 (worldbank.org [PDF; 1,3 MB]).

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ökosteuer_(Deutschland)

[3] https://de.wikipedia.org/wiki/EU-Emissionshandel

[4] https://www.finanzen.net/rohstoffe/co2-emissionsrechte

[5] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/frankreich-zwei-euro-fuer-den-liter-benzin-co2-abgabe-loest-proteste-aus-a-1238749.html

[6] https://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.532383.de

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