Deutschland ist ein Netto-Importeur von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Im Jahr 2016 wurden Nahrungsmittel im Wert von 81 Milliarden Euro importiert und solche im Wert von 70 Milliarden Euro exportiert. [1] Die Herstellung der importierten Nahrungsmittel nimmt in den jeweiligen Ursprungsländern Ressourcen in Anspruch und trägt dort zur Wertschöpfung bei. Hier soll die Inanspruchnahme der Ressource Land untersucht werden, nämlich in Form des Land-Fußabdrucks des gesamtdeutschen Endverbrauchs an Nahrungsmitteln und anderen Gütern. [2] Die Berechnung erfolge mittels des multiregionalen Input-Output-Modells EXIOBASE [3]. Die Details der Berechnungen sowie die Ergebnisse für die Fußabdrücke von Treibhausgasen, Wasser und mineralischen Ressourcen wurden in einem früheren Blogeintrag bereits vorgestellt. [4]
Im Folgenden werden detaillierte Ergebnisse für den Land-Fußabdruck Deutschlands für das Jahr 2011 präsentiert (Abb. 1). 2011 ist das letzte Jahr, für das vollständige Daten vorliegen. Bemessungsgrundlage ist der gesamte Endverbrauch im Referenzjahr, das sind alle von Haushalten, Verbänden und offiziellen Stellen erworbenen und verbrauchten Produkte und Dienstleistungen sowie alle in diesem Jahr getätigten Investitionen in Gebäude, Infrastruktur, Maschinen und andere Kapitalgüter.
Abb. 1: Land-Fußabdruck Deutschlands für die Landnutzungsklassen ‚Acker‘, ‚Weide‘, ‚Wald‘ und ‚Infrastruktur‘ für das Jahr 2011. Datenquelle: EXIOBASE 3.4. Die linke Säule zeigt die Landnutzung in Deutschland (terr = ‚territorial‘), welche nach Industriesektoren (ind = ‚Industrie‘) aufgeschlüsselt sind. Rechts daneben die Anteile der Landnutzung in Deutschland, welche dem Endverbrauch in anderen Ländern zuzurechnen sind, dargestellt (exp = ‚Export‘). Die zweite Säule von rechts zeigt die Landnutzung in anderen Ländern, welche dem Endverbrauch in Deutschlang zuzurechnen sind (imp = ‚Import‘), aufgeteilt nach Produkttypen (prod = ‚Product‘). Die rechte Säule zeigt die gesamte Landnutzung in den globalen Vorketten des Endverbrauchs in Deutschland, aufgeteilt nach Produktkategorien. Die Kategorie ‚Direkte Emissionen Endverbraucher‘ beinhaltet Landnutzung durch Gebäude und Infrastruktur in Privateigentum.
Fast die gesamte Fläche Deutschlands wird in irgendeiner Form genutzt, deshalb ist der territoriale Land-Fußabdruck Deutschlands (ca. 340 000 km^2 oder 0.4 ha pro Person) auch fast gleich der Gesamtfläche (357000 km^2). Der Land-Fußabdruck liegt jedoch deutlich höher, und zwar bei ca. 1 Million km2 oder ca. 1.3 ha pro Person. Das entspricht fast dem dreifachen der Landesfläche! Das heißt, es gibt in den verschiedenen Teilen der Welt Acker-, Weide- und Waldflächen der doppelten Fläche Deutschlands, die ausschließlich für unseren Endverbrauch produzieren! Die Endprodukte, die mit diesem Land-Fußabdruck zu uns kommen, sind vor allem Nahrungsmittel, Baumaterialien, Konsumgüter und Dienstleistungen, aber auch Kleidung.
Abb. 2: Land-Fußabdruck Deutschlands 2011, aufgeschlüsselt nach Regionen der Landnutzung.
Deutschlands Land-Fußabdruck ist global verteilt (Abb. 2). Während ca. 70% der eigenen Landesfläche auch für den inländischen Endverbrauch genutzt werden, gibt es weitere große Gebiete in verschiedenen Weltregionen, die für den Endverbrauch in Deutschland produzieren. Im Einzelnen sind dies: Asien und mittlerer Osten: 60% von Deutschlands Fläche, Andere Länder Europas, Afrika sowie Latein- und Südamerika: jeweils 40% der Fläche Deutschlands, sowie Russland mit 19% und Nordamerika mit 14%.
Eine Verteilung des Land-Fußabdrucks auf unterschiedliche Landnutzungstypen gibt Abb. 3:
Abb. 3: Land-Fußabdruck Deutschlands 2011, nach Art der Landnutzung.
Den größten Beitrag zum Land-Fußabdruck lieferten Waldflächen und Ackerland mit jeweils ca. 32%. Hinzu kommen Weideland (25%) und Land für Gebäude und Infrastruktur (ca. 11% des gesamten Land-Fußabdrucks). Innerhalb der Gruppe Ackerland sind es insbesondere Flächen für den Anbau von Ölpflanzen (8%), Weizen (6%) und sonstigen Getreidesorten (7%), die hervorstechen.
Der Land-Fußabdruck enthält Landflächen mit unterschiedlichster Nutzungsintensität, von Flächen für Gewächshäusern bis hin zu extensiv bewirtschaftetem Weideland. Deshalb ist er selbst noch kein Indikator für Umweltauswirkungen durch Landnutzung in verschiedenen Regionen der Welt.
Ein hoher Land-Fußabdruck ist für sich genommen noch kein aussagekräftiger Indikator für Nachhaltigkeit (oder den Mangel derselben). Denn es kann ja gut sein, dass Acker- und Weideland anderswo in übergroßen Mengen verfügbar sind, so dass Deutschland die auf diesen Flächen angebauten Produkte guten Gewissens importieren kann. Hier muss eine mit detaillierten und lokalen Daten durchgeführte Umweltbewertung, z.B. eine Ökobilanz, Klarheit darüber schaffen, wie groß die lokalen Umweltauswirkungen, z.B. durch Ackerbau oder Waldrodung, tatsächlich sind.
Der Land-Fußabdruck kann jedoch herangezogen werden, um Vergleiche mit der Planetaren Belastungsgrenze für Ackerland und mit der gesamten Landfläche anzustellen. Die Methode dazu wurde im letzten Blogeintrag zum Thema dargestellt. [4] Dort wurde festgestellt, dass der Land-Fußabdruck Deutschlands zwar skalierbar ist (es ist genug Landmasse vorhanden, um allen Menschen einen solchen Fußabdruck zu ermöglichen), allerdings wird die Planetare Grenze für Ackerland um ca. 40% überschritten. Das heißt, dass in einem nachhaltigen Szenario die Endverbraucher in Deutschland ihren Ackerland-Fußabdruck durch veränderte Konsumgewohnheiten und Effizienzsteigerung in der Nahrungsmittelproduktion in dem Maße reduzieren müssen, in dem die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern ihr Konsumniveau steigern und ihren Land-Fußabdruck dem unsrigen annähern.
Anmerkung: Der Land-Fußabdruck ist ein Maß für die tatsächlich genutzte Landfläche in der Vorkette von Verbrauchsgütern. Er ist nicht identisch mit dem ökologischen Fußabdruck, welcher auch ein Flächenmaß ist, das aber nicht die tatsächliche, sondern die hypothetische Landfläche angibt, welche zur Kompensation einer Reihe von Umweltauswirkungen notwendig wäre, darunter hauptsächlich Treibhausgasemissionen. [5]
Literatur:
[1] https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/10/PD17_363_51.html
[2] Tukker A, Bulavskaya T, Giljum S, de Koning A, Lutter S, Simas MS, et al. The Global Resource Footprint of Nations: Carbon, water, land and materials embodied in trade and final consumption calculated with EXIOBASE 2.1. Leiden/Delft/Vienna/Trondheim.; 2014. Available via https://www.researchgate.net/publication/264080789_The_Global_Resource_Footprint_of_Nations_Carbon_water_land_and_materials_embodied_in_trade_and_final_consumption_calculated_with_EXIOBASE_21
[3] Stadler K, Wood R, Bulavskaya T, Södersten C-J, Simas MS, Schmidt S, et al. EXIOBASE 3 – Developing a Time Series of Detailed Environmentally Extended Multi-Regional Input-Output Tables. Journal of Industrial Ecology. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jiec.12715
[5] Giampietro M, Saltelli A. Footprints to nowhere. Ecological Indicators. Elsevier Ltd; 2014 Nov; 46:610–21. Available from: http://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1470160X14000387