Im November 2016 hat die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) die FreiburgCup als Alternative zu den herkömmlichen Kaffee-To-Go Einwegbechern aus Pappe eingeführt. Ziel der FreiburgCup ist es, das Abfallaufkommen durch Einwegbecher in der Freiburger Innenstadt zu verringern. Die FreiburgCup ist ein wiederverwendbarer Plastikbecher für heiße To-Go-Getränke, für den 1,00 € Pfand verlangt wird und der bei allen beteiligten Cafés und Bäckereien zurückgegeben werden kann. Dort wird er gereinigt und daraufhin wieder ausgegeben. Derzeit beteiligen sich etwa 60 Bäckereien und Cafés im Stadtgebiet Freiburg an dem FreiburgCup-System. Aus hygienischen Gründen bleibt der dazugehörige Deckel ein Einwegdeckel.
Der ideelle Wert der FreiburgCup in Bezug auf Stadtmarketing und Imagepflege ist zweifellos erheblich. Wie sieht es aber mit den Umweltauswirkungen der FreiburgCup aus? Dieser Frage sind Kaja Weldner, Studentin im MSc Environmental Governance, und Johannes Althammer, Student im MSc Renwable Energy Engineering and Management, nachgegangen. Beide haben den Ökobilanz-Kurs besucht, den ich im Januar 2017 zusammen mit Rainer Grießhammer vom Öko-Institut unterrichtet habe, und sie haben die Methode der Ökobilanz auf die FreiburgCup angewendet. Die Ergebnisse dieser Untersuchung möchten wir hier präsentieren. Ein besonderer Dank gilt dem Kollegen Heiner Schanz von der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen, der diese Untersuchung angeregt hat.
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Bei der quantitativen Umweltbewertung der FreiburgCup sind vor allem zwei Fragen zentral:
- Wieviel Abfall wird durch die Zirkulation der FreiburgCup in der Stadt vermieden?
- Wie groß ist die Einsparung von Ressourcen und Emissionen in die Umwelt, wenn man das typische Gebrauchsmuster der FreiburgCup mit der herkömmlichen Verwendung von Papierbechern vergleicht?
Zur Beantwortung von Frage 1 haben Kaja und Hannes eine Umfrage erstellt, welche an alle teilnehmenden Cafés in der Innenstadt gesendet wurde. Die erhobenen Daten sind dabei nicht repräsentativ, von 48 Cafés angefragten haben 7 Cafés auswertbare Antworten gegeben. Dabei konnte festgestellt werden, dass die FreiburgCup in den unterschiedlichen Cafés einen sehr unterschiedlichen Marktanteil (Anteil von Kaffeeausschank in FreiburgCups an allen To-Go Kaffeebechern) hat. Die Bandbreite geht von der Angabe “nahezu 0%“ bis zu „99%“. Die größeren Cafés (4 Datensätze) gaben im Schnitt einen FreiburgCup-Marktanteil im Kaffeeausschank von 4,5% an. Dieser Anteil ist laut den Kaffeehausbetreibern sehr stark gesunken, z.B. im Café Auszeit von 70% im letzten Jahr auf nur noch 8% in 2017. Es ist davon auszugehen, dass der jeweilige Anteil der Freiburg Cup an den To-Go Kaffeebechern als auch der Anteil der To-Go Kaffeebecher mit Deckel stark von der Zielgruppe der Cafés abhängt, als auch von der Art und Weise des Angebots. In den Cafés, welche die Umfrage beantwortet haben werden, pro Monat insgesamt 763 Freiburg Cups befüllt. Hochgerechnet auf alle Cafés der Innenstadt (unter der Annahme, dass jede dieser
verkauften To-Go Kaffees in einer FreiburgCup eine Papiertasse ersetzt, die FreiburgCup wieder zurückgegeben und nicht direkt wieder befüllt wird, die Größe der Cafés und deren Anteil an FreiburgCups an der gesamten To-Go-Kaffeebecher-Ausgabe im Durchschnitt aller Cafés der Innenstadt liegen) ergibt sich eine Hochrechnung auf alle Cafés der Innenstadt für die Müllvermeidung in der Innenstadt von ca. 6300 Kaffeebechern pro Monat. Bei einer typischen Pappbechermasse von 11 g entspräche diese Menge einer vermiedenen Müllmenge von ca. 70 kg im Monat oder ca. 840 kg im Jahr, also unerheblich im Vergleich zur Gesamtmasse des in der Freiburger Innenstadt anfallenden Mülls. Diese Berechnung beruht allerdings auf einer groben Schätzung. Befüllungen, welche nicht auch als Pfandablösevorgänge verbucht wurden, also z.B. das Befüllen einer mitgebrachten FreiburgCup, sind in obigen Zahlen nicht enthalten. Für eine genaue Aussage über die Müllvermeidung sind die erhobenen Daten nicht ausreichend.
Konkrete Antworten auf die Umweltauswirkungen von FreiburgCup und Pappbechern (Frage 2) liefert eine quantitative Umweltbewertung in Form einer Ökobilanz. Dabei werden alle mit der Herstellung, Benutzung und Endverwertung der FreiburgCup verbundenen Energie- und Stoffströme quantifiziert und anschließend hinsichtlich ihres Beitrags zum Klimawandel, zur Landnutzung, zu Feinstaubemissionen und zur Toxizität für den Menschen bewertet. Hierdurch soll die jeweilige Relevanz der Produktion des Bechers, des Spülens und
der Abfallverwertung bezüglich ihrer Umweltauswirkungen dargestellt werden. Diese Werte werden mit den Umweltauswirkungen eines herkömmlichen To-Go-Bechers aus Pappe verglichen. Das Getränk selbst ist nicht teil der Untersuchung. Die Analyse soll, erstens, den relativen Vorteil der FreiburgCup gegenüber Einwegbechern ermitteln und, zweitens, zu einer Verbesserung des FreiburgCup-Systems aus Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit beitragen. Neben der vergleichenden Analyse von FreiburgCup und Pappbecher hilft die Analyse, die für die Umweltauswirkungen kritischen Nutzungsparameter zu identifizieren.
In der Wirkungskategorie Klimawandel (Climate Change, CC) hat die einmalige Nutzung der FreiburgCup einen Effekt von 24-38g CO2-Äquivalenten (CO2-eq) (Abb. 1). Die unterschiedlichen Werte rühren daher, dass die genaue Nutzung der Tasse nicht bekannt ist, und deshalb verschiedene Annahmen zur Anzahl der Nutzungen, Entsorgung und Reinigung getroffen wurden. Abbildung 1 zeigt, dass der Deckel eine zentrale Rolle im Erderwärmungspotential des FreiburgCup-Produktsystems spielt. Sieht man von der Verwendung des Deckels ab (und betrachtet nur die blauen, roten und gelben Balken) ist zu sehen,
dass die Steigerung der Anzahl der Verwendungszyklen der FreiburgCup von 10 auf 100 den Klimaeffekt der Mehrwegtasse auf ein etwa ein Viertel reduziert. Die Produktion und die Entsorgung der FreiburgCup spielen dann in Bezug auf den Klimaeffekt kaum mehr eine Rolle.
Abbildung 1: Beitrag der einmaligen Nutzung der FreiburgCup zum Klimawandel. Legende: FC: FreiburgCup, 010/020/100: Anzahl der Nutzungen, mD: mit Deckel, VmE: Verbrennung mit Energierückgewinnung an Ende der Nutzung als Kaffeetasse, MK: maschinelles Spülen der Tasse mit deutschem Durchschnittsstrommix.
Durch die Verwendung des Tassenmaterials zur Stromerzeugung in einem Müllheizkraftwerk kann der Einfluss der Entsorgung der Becher und der Deckel verringert werden. Im Fall des Pappbechers kann sogar ein netto-positiver Effekt der Entsorgung in der Kategorie Erderwärmung festgestellt werden. Dieser Effekt ist darin begründet, dass der Strom aus dem Müllheizkraftwerk Durchschnittsstrom ersetzt, welcher zu erheblichen Teilen aus Kohlekraftwerken stammt. Dieser positive Effekt überwiegt die negativen Klimaeffekte der Verbrennung. Auch das Recycling senkt die CO2-Emissionen des Bechers. Insgesamt hat die Art der Entsorgung einen deutlichen Einfluss auf das GWP des Bechers und des Deckels – insbesondere wenn ein Becher ohne Deckel (grüne und pinke Balken) verwendet wird.
Abbildung 2: CO2-Emissionen der einmaligen Befüllung eines Pappbechers oder der FreiburgCup für verschiedene Nutzungsszenarien. Legende: PA: Pappbecher, FC: FreiburgCup, 020: Anzahl der Nutzungen, mD: mit Deckel, VoE: Verbrennung ohne Energierückgewinnung, VmE: Verbrennung mit Energierückgewinnung an Ende der Nutzung als Kaffeetasse, Rec: Recycling des Tassenmaterials, MK: maschinelles Spülen der Tasse mit deutschem Durchschnittsstrommix.
Im direkten Vergleich der Lebenszyklus-CO2-Emissionen schneiden Pappbecher und FreiburgCup recht ähnlich ab. Es besteht eine gewisse Schwankungsbreite, resultierend vor allem aus Unterschieden in der Anzahl der Nutzungen und unterschiedlichen Recyclingszenarios.
In der Wirkungskategorie Feinstaub führt die FreiburgCup zu einer deutlichen Verbesserung, da vor allem die mit der Herstellung des Pappbechers verbundenen Feinstaubemissionen entfallen (Abb. 3).
Abbildung 3: Feinstaubemissionen der einmaligen Befüllung eines Pappbechers oder der FreiburgCup für verschiedene Nutzungsszenarien. Legende: wie in Abb. 2.
In der Wirkungskategorie Humantoxizität erhielten wir für die FreiburgCup ähnliche Werte wie für den Pappbecher. In der Wirkungskategorie Landnutzung ist der Unterschied zwischen beiden Alternativen besonders groß: Bei Verwendung der FreiburgCup geht die Landnutzung auf fast ein Zehntel zurück, vor allem weil Waldfläche zur Holzproduktion für den Pappbecher eingespart wird (s. Vollversion Bericht, Link am Ende dieses Blogeintrags).
Zusammenfassung: In den meisten betrachteten Szenarien und Wirkungskategorien sind die Umweltauswirkungen der FreiburgCup mit denen eines Pappbechers vergleichbar, in den Kategorien Feinstaub und Landnutzung sind sie deutlich geringer als die des Pappbechers. Die Produktion und Entsorgung des Deckels trägt wesentlich zu den Umweltauswirkungen des untersuchten Systems bei, so dass die häufige Nutzung von Deckeln den Einspareffekt der Wiederverwertung der Tasse deutlich schmälert.
Eine wesentliche Verringerung der Umweltauswirkungen der Nutzung der FreiburgCup-Nutzung kann erzielt werden, wenn
1) Die FreiburgCup häufig ausgegeben, verwendet und auch wieder zurückgegeben wird
2) Die FreiburgCup mit einem hohen Anteil an Ökostrom gespült wird.
3) Die FreiburgCup ohne einen Einwegdeckel genutzt wird.
Wenn die FreiburgCups in den Cafés nicht offensiv angeboten werden oder sie bei den Nutzern zuhause im Küchenregal verstauben, werden die ökologische Ziele der Abfallvermeidung sowie der Energie- und Emissionseinsparung zwangsläufig verfehlt. Zudem sollte man im Blick behalten, dass die Verringerung negativer Umweltauswirkungen durch den Gebrauch einer Tasse im Vergleich zu den Umwelteffekten anderer Aktivitäten (z.B. Fleischverbrauch, Verbrauch von Konsumgütern oder Flugreisen) recht bescheiden ausfällt. Dennoch kann ein gut gestaltetes System der Wiederbenutzung von To-Go-Getränkebehältern dazu beitragen, Müll zu vermeiden, Umweltbelastungen zu senken und umweltfreundliches Verhalten zu fördern.
Den vollen Bericht über die quantitative Umweltbewertung der Freiburg-Cup gibt es hier zu lesen: Umweltauswirkungen der FreiburgCup_Endversion
Weitere Referenzen:
Freiburg startet Mehrwegsystem für Kaffeebecher: Badische Zeitung vom 21.11.2016 (online-Ausgabe) http://www.badische-zeitung.de/freiburg/freiburg-startet-mehrwegsystem-fuer-kaffeebecher–130102041.html
100 Tage Freiburg-Cup: Wie erfolgreich ist der Mehrweg-Kaffeebecher wirklich? Badische Zeitung vom 07.03.2017 (online-Ausgabe) http://www.badische-zeitung.de/freiburg/100-tage-freiburg-cup-wie-erfolgreich-ist-der-mehrweg-kaffeebecher-wirklich–134352699.html
Weitere Infos:
1) Referenz Papierbecher (von Johannes Althammer, Hauptautor der Studie):
Die Daten (auch das Volumen) des als Referenz verwendeten Papierbechers wurde der DUH Studie entnommen. Das Volumen beträgt 300 ml. Auf den ersten Blick ist das ein Widerspruch, da
die Freiburg Cup nur 200 ml fasst. Eine Stichprobe bei 4 Cafés, welche beide Bechersorten führen, hat ergeben, dass die dort ausgegebenen Papierbecher, wie in unserer Studie beschrieben, sehr unterschiedlich in Gewicht und Größe sind, aber alle waren größer als die Freiburg Cup. Es wurden die folgenden Größen festgestellt:
300 ml, 11g
300 ml, 15g
270 ml, 11g
270 ml, 11g
Die Freiburg Cup ersetzt also größere Papierbecher. Daher wurde der in der DUH Studie untersuchte “beliebteste” Becher, mit 300 ml und 11 g als Referenz genommen. Es ist also auch davon
auszugehen, dass die Papier-Becher im Normalfall gar nicht voll gefüllt werden (häufig 180 ml, laut TNO Studie), da Kaffee-Besteller, die eine Freiburg Cup verwenden möchten, auch weniger Kaffee bekommen würden.